Page View
Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Richard Huelsenbeck, pp. 75-76
PDF (621.4 KB)
Page 75
Bet diesen Worten zuckte seln Gegeniber wieder furchtbar zusammen und mischte sich ins Gesprach, klar, kurz und bfindig: ,,Ein Deutscher sollte sein ehrlich erworbenes Geld in diesen wirtschaftlich depressiven Zeiten unter keinen Umstanden ins Ausland tragen!" Dabei fixierte er Kolber strafend, denn er hatte ein Hotel in Partenkirchen, das immer leer stand, weil es wegen seiner verrtickt hohen Preise allgemein gemieden wurde. ,,Aber Spanien war la im Krieg neutral", kam der dritte Herr in der Ecke Kolber zu Hilfe. ,,Egal!" schnarrte der Hotelier. ,,Spanien ist uns sogar sehr freundlich gesinnt", liel3 der In der Ecke nicht locker. ,,Uns is iuberhaupt niemand freundlich gesinnt!" entgegnete fMm erregt der Thimoteus. ,,Es war' ja ein Wunder, wenn uns jemand freundlich ge- sinnt ware!! Oder war's ka Wunder, L~eutl?.7" RICHARD HUELSENDECK SBchrieb vor 1933 Novellen und Romane AuBnerdem schrieb er das Duch ,,En avant (CDer Traum vorn grof3en GlUck") sowie dada", das ihm zu internationalem An- aulerordenttliche Reisebticher (u. a. ,Der schen verhalf. Er lebt jetzt als Arzt in Sprung nach dem Osten", ,,Afrika in Amerika. Die folgenden Abschnitte ent- Sicht"), die aus Eindriucken wkhrend stammen zwei REISESCHILDERUNGEN, seiner Fahrten als Schiffsarzt entstanden. die seine Darstellungsgabe zeigent Das Massiv des Tafelberges steht leuchtend fiber der Stadt, der riesige Getreidesilo am Hafeneingang erinnert an einen mittelalterlichen Burgturm; auf der Pier, die weit ins- Meer hinausgebaut ist, promeniert eine elegante Merge, wahrend die Musik spielt. Die Musik sitzt in einem chinesischen Tempelchen, und die Tonwellen kommen bis zu den Wellblechschuppen, wo die Kulis harte Sacke schleppen. Hin und wieder bleibt einer stehen und legt die Hand an die Ohrmuschel. Nach einer Weile grinst er fiber das ganze Gesicht. Diese Stadt ist sch6n, das ist die erste Feststellung, die man macht. Es ist eine zivilisierte Schonheit, keine wilde, afrikanische, wie man es sich als Knabe vorgestellt hat. Ich sehe vom Schiff aus die StraBenbahnen wie kleine braune Kafer weit den Tafelberg und den Lion Hat hinaufklettern. Kapstadt hat etwas von St. Franzisko, es wird in absehbarer Zeit ein afrikanisches St. Franzisko sein. Und hier gab es vor funfzig Jahren noch Wildesel; Herden von Quaggas trieben sich herum, wo heute die Luxus- limousine Uiber den Asphalt streicht, und in den Bergen, wo heute auf ge- pfllegten Banken die Kinderga.rtnerinnen sich rakeln, schrien die Paviane. Aus den HauptstraBen steigt der Larm der Verkehrsbrandung, es ist fast wie in New York, an der zweiundvierzigsten StraBe. Es ist die Zeit des Rush, die Stenotypistinnen quellen aus den Bureaus, sie hangen an den Stral3enbahnen wie Girlanden. Ich entsinne mich einer Situation In Europa, Ich las In elner Zeitung, daB eine sudafrikanische Tennismannschaft nach London gekommen sei. Tennismannschaft aus Siidafrika? Wer kann das Bild der Abenteuerbuicher ganz aus dem Kopf radieren? Irgendwo denkt man Ole sich mit Wasser- stiefeln, die Bilchse auf dem Rucken.
Copyright 1947 by Heinz Ullstein--Helmut Kindler Verlag.| For information on re-use see: http://digital.library.wisc.edu/1711.dl/Copyright