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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
S. Friedlaender, pp. 48-49
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Page 48
EGON FRIEDELL Verfasser einer mehrbandigen, mit eben- mit der Zeitmaschine' von neuem heraus- soviel Witz wie Wissen geschriebenen gebracht. Friedell sttlrzte ,sich 1938 beim ,,Kulturgeschichte" und eines ausgezeich- Einmarsch der Deutschen in Osterreich neten Buches tiber Peter Altenberg: zum Fenster seiner Wohnung hinaus. - ,,Ecce poeta", stainmte aus Wien. Seine Von laciielnder Weisheit ist sein vor 1933 Bilcher wurden 1933 verboten. Vor kurzem bei S. Fischer erschienenes BUCH tUBER wurde sein utopischer Roman ,,Die Reise ALTENBERG erfillt, woraus wir zitieren: Man hat sich allgemein daran gewohnt, in Peter Altenberg eine Art ,,modernen Frauenlob" zu erblicken. Nun, ein Frauenlob ist er freilich; aber eben ein moderner. Der arme Frauenlob: - wenn er heute lebte, er wurde nicht weniger gliuhend und nicht weniger unglitcklich lieben. Und dennoch: er wiirde vielleicht ganz anders dichten, das will sagen: er wiuite vielleicht ganz andere, viel verfdnglichere, verstricktere, hintersinnigere, vieldeutigere Dinge von den Frauen zu sagen als dazumal. Kurzum, er wtrde anderes, UnL. vielleicht Tieferes und Seltsameres an ihnen zu loben wissen. Weil die Frau heute anders geworden ist? Oder weil der Mann anders geworden ist und nun ein anderes, abgestufteres, vielfaltigeres, vielfarbigeres Licht sich an diesen glatten Spiegeln bricht, die man ,,Frauen" nennt? Oder vielleicht auch, weil wir heute unter Lob etwas anderes verstehen und wiederum etwas weit Verzwickteres, Oszillierenderes, schwieriger grad zu Biegendes: eine Sache, die von vorne wie emn Tadel aussieht und erst von hinten wie em Lob glanzt? Es ist eben alies anders geworden. Haben wir eigentlich den Hexen- und Engelaberglauben abgeschafft? Ich glaube nicht: er lebt noch fort in der sogenannten romantischen Liebe. Es ist eigentlich ein StUck Mittelalter in der modernen Welt. Die Idee, daa die Frau etwas ungemein Hohes und Reines, eine himmlische Gnadenspenderin im profanen Erdenleben des Mannes set, gehort eigentlich in dieselbe Rubrik wie die Ansicht, daB der Himmel ein blaues Kuppelgewolbe sei, in das Sterne gestickt sind, und daBl es Zauberer und Feen gabe. Es ist eine mytho- logische Erklarungsart. Indes: vielleicht gerade hierin beruht ihr Reiz und &ire Lebensfahigkeit. Sind denn die Dichter nicht uberhaupt ein StUck Mittelalter im heutigen Leben, und ein notwendiges? Und die Frauen sind stumme Dichterinnen. In unseren amerikanisierten Lebensformen bilden sie gewissermaBen eine Enklave poesievoller Ruckstarndigkeit. Was am heutigen Leben noch Spiel, Stil, liebenswurdige Zwecklosigkeit ist, geht zum groBten Teil auf die Frau zurUck. Und die durch Jahrhunderte konsequent voll- zogene Durchsetzung der erotischen Beziehungen rnit psychologischen und physiologischen Irrttimern erhoht diesen Reiz. S. FRIEDLAENDER Veroffentlichte seine satirischen Werke rede. - Friedlaenders flauptwerk ist die unter dem Pseudonym,,Mynona" (Umkeh- ,,Schopferische Indifferenz', ein tiefsinni- rung von ,Anonym"). Im Alter von ges philosophisches Werk. Als Beispiei 75 Jahren starb Friedlaender in der Emi- fUr seine satirische Weltansiclit hier eine gration in grbtter Armut. Der emigrierte kurze Groteske: ,.DER ZARTE RIESE', Lyriker Rudolf Leonhard hielt die Grab- ein beliebtesVortragssttickLudwigHardts: Es war einmal ein Riese, der war so zart, so zart! Und nun ging er durch die Menschen. Wie sanft nur setzte er seine Schritte, wie sanft. Und noch mit seinen allersanftesten zertrat er so viele nette, freundliche Menschen:
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