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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Bruno Frank, pp. 42-43
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aber auch kann die von Millionen Sklaven bediente nazi-faschistische Kriegs- maschine noch einmal die Kraft fUr eine machtige, gefahrliche Offensive auf- bringen. Wie immer dem sein mag - und das ist in einem der Beitrage dieses Buches mit gutem Grund betont -, wir deutschen Antifaschisten durfen nichts als gegeben hinnehmen und es wird uns nichts geschenkt. Wir mUssen noch klarer als jeder andere sehen, daB es die erste und wichtigste Aufgabe ist, die Hitlerei zu vernichten und auch alle Drahtzieher und Helfershelfer. Da8 die Zeit fir eine prazise Planung der Nachkriegswelt noch nicht ge- kommen ist, darUber sind sich alle Mitarbeiter dieses Buches einig; Sie waren sonst Traumer und keine Realisten. Und doch: nach dem Kampfe selbst, und nach der Produktion der Waffen, um den Krieg zu gewinnen, und nach der wirklichen Erinnerung des Sieges ist gewiZ die nachstwichtige Aufgabe die, zu wissen, was mit dem einmal er- rungenen Siege anzufangen ist. Die deutschen Antifaschisten wissen sehr wohl, daB gleich nach dem errungenen Sieg Uber Hitler ein neuer schwerer Kampf beginnen muB: der Kampf um die Vberwindung der moralischen und materiellen Verwistung, die in einem Jahrzehnt der Naziherrschaft an- gerichtet wurde. Wir haben keinerlei Illusionen Uber die gewaltigen Schwierig- keiten dieser Aufgabe, und je eher wir anfangen, darfiber nachzudenken, um so besser, Einer solchen gedanklichen Vorbereitung hofft dieses Buch zu dienen. BRUNO FRANK 1887 in Stuttgart geboren, Schwiegersohn den autobiographischen Roman: ,,Der von Max Pallenberg und Fritzi Massary; ReisepaB"; sein Roman: ,,Die Tochter" schrieb melodiose Verse, kunstvolle No- schildert den Leidensweg einer Judin. vellen (,,F1luchtlinge'', ,,Himmel der Ent- Bedeutsamer noch ist sein groBer biogra- tauschten", ,,Bigram") einige Dramen und phischer Roman ,,Cervantes". Frank starb den Roman ,Die Fflrstin". In der ,,Poli- im Exil. - In dem folgenden, der vor tischen Novelle" portratiert er Strese- 1933 geschriebenen Novelle ,,DER GOI- mann, im ,,Magier" Max Reinhardt. In DENE" entnommenen Abschnitt handelt seinem Schauspiel ,,Zwolftausend" brand- es sich um einen Kafer, der einem Straf- markte er den Soldatenhandel deutscher gefangenen die Einsamkeit der Zelle ver- Landesftirsten. Im Exil schrieb er u. a. klArt; der WSrter hat den Kafer zertreten. Er wulte nicht, der Mann, wie nah in jener halben Minute der Tod an seiner haarigen Gurgel vorbeigestrichen war. Er wuBte nicht, der Tropf, warum sich Albrechts Hande so wiltend in die eigenen Schlafen eingekrallt hatten. Er hatte einem Gefangenen einen Zeitvertreib weggenommien, pflicht- gemdi, basta. Der beste Zeitvertreib auf dieser Erde aber ist der HalB. Wer wein denn das nicht! Das wissen selt alters die Dummkopfe aller Nationen, die ihre ode MuBe damit ausfUllen, andere Nationen zu hassen und zu schmdhen. Wie aber soll der vollends Langeweile noch fifihlen, ja tiberhaupt den Zeitablauf, dessen Herz einmal in den untersten teuflischen Grund eines andern Herzens getaucht ist und aus diesem Schacht wieder aufgetaucht, als ein Eimer gefillt bis zum Rande mit Racheverlangen. Zwei Monate trennten den Strafling Albrecht von seiner Entlassung. Sie waren nicht mehr fUr ilm als eine kurze, von Branden durchloderte Nacht. 12
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