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Aufwärts
Jahrgang 8, Nr. 20 (September 29, 1955)
Der wunderbare Herr Marty, p. 3
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Während in den vergangenen Jahren bei internationalen Filmfestspielen noch vielfach virtuos gestaltete dramatische Reißer" mit brillanten filmischen Effekten den Vogel ab- schossen, wurde dieses Jahr in Cannes der amerikanische Film <Marty" mit dem <Großen Preis" ausgezeichnet. Der allgemeine Beifall, den der Film bei der Kritik wie auch beim Publikum fand, zeigt, daß das Verlangen nach schlichter Wahrhaftigkeit im Film längst nicht erloschen ist..Marty" Ist einer der wenigen Hollywoodfilme. die ohne raffinierten Auf- wand und ohne bestrickende Brillanz ein Stückchen echtes Leben zeigen. Er erzählt die einfache Geschichte von zwei unscheinbaren einsamen Menschen, die sich begegnen und für immer zueinanderfinden. Interyiew mit einem General Fortsetzung von Seite 1 Marty, der etwas vierschrötige Fleischer- gehilfe aus dem Italiener-Viertel in Neuyork, ist zwar ein netter, guter Kerl, aber nicht gerade das, was man unter einem schönen Mann versteht. Seine zahlreichen jüngeren Geschwister sind alle längst verheiratet, nur er lebt noch allein mit seiner Mutter zusam- men, die sich um den immer noch ledigen, stillen .großen Jungen" redlich Sorge macht. Aber Marty hat schon zu oft einen <Korb" bekommen und ist mit der Zeit zu einem rechten Schüchterling geworden, der in seiner ungestillten Sehnsucht- nach der Lebens- gefährtin schon beinahe resigniert... Da be- gegnet ihm eines Tages Klara, ein bereits leicht verblühtes Mädchen, das unter einem ähnlichen Schicksal leidet. Zuerst ist es bloßes Mitgefühl, das Marty bewegt, sich ihrer an- zunehmen. Aber während des gemeinsam ver- brachten Abends, als sie sich voreinander in rückhaltloser Aufrichtigkeit immer mehr er- schließen, wird daraus eine tiefe gegenseitige Zuneigung. Marty ist seligl Nun aber ist es gerade die Mutter, die ihm in plötzlicher Angst vor dem eigenen Alleinsein das Mäd- chen schon nach dem ersten Abend leid machen will. Auch die Freunde, die sich im Geiste schon um einen Freizeitkumpan ärmer sehen, tun ihr Teil dazu. Wenn dann aber Marty nach einigem Zögern mit plötzlichem Ent- schluß sich aus dem öden Kreis seiner groß- mäuligen Bierfreunde losreißt, ans Telefon geht und ganz einfach .Hallo, Klara!" ruft, weiß jeder, daß sich nun zwei bis dahin Ein- same zu glücklicher Zweisamkeit fürs Leben gefunden haben. Selten wurde in einem amerikanischen Film so sensationslos und schlicht in Wort und Bild der Alltag gezeigt. Und doch oder viel- leicht gerade deshalb gehört .Marty* mit zu den bemerkenswertesten filmischen Kunst- werken, die von jenseits des <großen Teichs" zu uns herüberkamen. Ursprünglich wurde die Geschichte für ein Fernsehspiel geschrieben, und Delbert Mann hat dort wie hier die Regie Ein fllmisches Kleinod aus Hollywood geführt. Bis zum imponierend einfachen, fast abrupten Schluß - dem Telefonanruf Martys - ist Regisseur Mann ein Meister der kleinen, beredten Geste, der stummen Sprache, die un- mittelbar das Herz anrührt. Die schauspie- lerischen Leistungen, zumal die der beiden Hauptdarsteller, fügen sich dem schlichten Filmgeschehen würdig ein. Der bisher hier kaum bekannte Ernest Bergnine, in der Rolle Martys, weiß die Regungen einer zarten Seele im klobigen Körper in feinen Nuancen über- zeugend darzustellen. Betsy Blair, als unschein- bares Mädchen Klara, ist ihm dabei eine ideale Partnerin. Herrlich und wirklich be- glückend, wenn das bereits ein wenig alt- jüngferlich spröde Mädchen unter den liebend leuchtenden Blicken des plötzlich redseligen, lustig-unterhaltsamen Marty allmählich mit wundersamem innerem Liebreiz aufblüht. - Jeder, besonders aber alle, die sich an Holly- woods .smarten" Gangsterstrolchen, zucker- süßen Sweet-Hearts, kurvigen Sexbomben und cleveren Herzensbrechern den Appetit gründ- lich verdorben haben, sollten .Marty" sehen, um endlich auch einmal das andere Hollywood und das andere Amerika kennenzulernen. des neuen Heeres beauftragt sind, kann man nicht als echte Militärs bezeichnen. Es sind Schwärmer, Idealisten, Theoretiker. Sie glau- ben wahrscheinlich an das, was sie ver- sprechen.' <Und Sie, Herr General, Sie glauben nicht daran?" <Nein«, sagte der General... schlicht, aber deutlich. ,Dann wird das neue deutsche Heer also restaurativen Charakter haben?" ,Restaurativ!' rief der General... und hob abwehrend die Hand,.restaurativl Das ist heute ein diskriminierendes Modewort. Man kann doch elementare Formen und Regeln nicht restaurativ nennenl" (Ahnen Sie, worauf er hinaus will?) .Soll das heißen, daß sich der neue Kommiß kaum ändern wird?" .Ja, das wollte ich damit sagen. Äußerlich mag sich vieles ändern. Schließlich soll es eine moderne Wehrmacht werden. Aber die Grund- begriffe, wie bedingungsloser Gehorsam, schärfste Disziplin, unnachsichtiger Drill, müs- sen und werden erhalten bleiben. Dafür wer- den meine Kameraden und ich schon sorgen, denn letzten Endes sind wir für die Schlag- kraft verantwortlichl" Mir war wie einem Angeklagten zumute, der in banger Hoffnung auf sein Urteil wartet, es erfährt und schaudernd feststellen muß, daß es schlimmer ausgefallen ist, als der Rechts- anwalt prophezeite. Mein Entsetzen überwin- dend - denn was konnte mir schon Schlim- meres widerfahren -, riskierte Ich die letzte Frage an den General: <Noch eine Frage, Herr General: Hoffen Sie auf eine militärische Auseinandersetzung, wenn das Heer schlag- kräftig genug sein wird?" Der General hob nicht abwehrend die Hand (wieso auch?), er erklärte ohne Erregung: .Mein junger Freund, das wäre eine frivole Hoffnung, nicht wahr? Andererseits überlegen Sie mal: Ließe ein Konstrukteur, der ein sagen wir mal - neues Auto gebaut hat, dieses gern unbenutzt In der Garage stehen? Es liegt doch In der Natur des Menschen, das auszuprobieren, was er geschaffen hat." (Was? Wie? Sind das nun nicht aufschlußreiche Ver- gleiche? Ja. unterschätzen Sie nicht die Hinter- gründigkeit unserer Generale!) Ich erhob mich, dankte dem General für seine Offenheit (die doch so recht dazu angetan ist, der deutschen Jugend Vertrauen zu geben, nicht wahr?) und verließ das geschmackvolle Arbeitszimmer. Und wenn ich angesichts dieses Zimmers daran gedacht hatte, meine Ressentiments zurüdczustecken, so ließ ich ihnen jetzt wieder freien Lauf, Ich bin sicher: Man kann nicht genug davon haben! Warum ich den Namen des Generals ... nicht nenne? Ihn vielmehr durch Pünktchen ersetze? Nun, dies Interview könnte für ihn angenehme Gobe L 9n U1M4ekeav w4
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