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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 22 (November 1, 1951)
Müller, Conrad
Ich hasse dich und dein Blut, p. 7
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Foto: M¸ller .Ich hasse bich snd bein þIr3.t Eine Geschichte aus Java Sie hatten zusammen die ,Mulo", die Mittel- schule, besucht, die beiden - schon "uþer- lidi so ungleichen - Pflanzerss–hne: der langaufgeschossene, sommersprossige blonde Piet und der gedrungen gebaute, durch einen Buckel gebrandmarkte dunkelh"utige Jan, der nur auf dem Papier dem Weiþen' gleichgestellte verachtete Halfcast". Beide hatten sie sich nach Verlassen der Schule der Pflanzerlaufbahn zugewandt. Aber waren sie schon auf der Schulbank einander gew–hnlich aus dem Wege gegangen, mit dem Eintritt in die Lehre auf den an- einandergrenzenden Plantagen war es in letzter Stunde dann zu einem endg¸ltigen Bruch zwischen ihnen gekommen. Da hatte - es war auf derAbschiedsfeier gewesen- der von Natur hochfahrende und in Vor- urteilen aufgewachsene Weiþe dem ,Brau- nen', wohl unter dem Einfluþ von Alkohol, als dieser es abgelehnt, auf das Vorrecht der blandas' im Lande mit ihm anzustoþen, die Worte zugeschrien: ãNa ja, du bist ja auch bloþ ein ªHalber´, aber damit du es weiþt, ich hasse dich und dein Blut!' Da hatte sich j"h das Muttererbteil in Jan ge- meldet. Dunkelrot waren ihm die Adern in den leicht mandelf–rmigen Augen angelau- fen. Und einen Augenblick hatte es so aus- gesehen, als ob er sich auf das betrunkene Herrens–hnchen, das da mit seiner Abstam- mung protzte, st¸rzen wollte. Aber dann hatte er - als er die Blicke der Kameraden auf sich gerichtet sah - stumm das Kneip- zimmer verlassen. Nie wieder begegnen wollte er diesem - Weiþeni Jahre waren dar¸ber hingegangen. Es hatte sich nicht vermeiden lassen, daþ die beiden sich gelegentlich auf Sitzungen, in den Klubs und auf Tanzabenden sahen. Ohne Gruþ waren sie aneinander vor¸bergeschritten. Beide - das muþ gesagt werden - waren sie beliebt bei ihren Leuten. Was der ehr- geizige Weiþe dank seines theoretischen Wissens seiner Unternehmung einbrachte, machte der Braune durch ein feines Sichein- f¸hlen in die Seele seiner Kulis reichlich wett. Eines Tages war Piet auf einem Inspektions- ritt durch die Pflajizung mit dem Pferd gest¸rzt und hatte sich eine Fraktur der H¸fte zugezogen, die sich infolge Vernach- l"ssigung oder falscher Behandlung pl–tz- lich derartig verschlimmerte, daþ eine Uber- f¸hrung ins st"dtische Krankenhaus not- wendig wurde. Es best¸nde Lebensgefahr, und eine Operation w"re geboten, hatte der Arzt festgestellt. Die Operation wurde vor- genommen und schien gelungen. Der auþer- ordentlich starke Blutverlust des Patienten aber gab zu neuen Bedenken Anlaþ. ãDer Junge stirbt, wenn wir nicht sofort eine Bluttransfusion durchf¸hren", sagte der Arzt, ãalle irgendwie erreichbaren Blutspender der n"chsten Nachbarschaft per Auto heran- holen', befahl er. Vor dem Bungalow, unter dessen Sonnen- dach Jan gerade seine Kulis auszahlte, hielt der Wagen. ãWer von euch spendet Blut? Es geht um ein Menschenleben!" schrie eine Stimme aus dem Innern des Autos. Es war die Schwester. Unser Alter ist auf Urlaub. Der Buchhalter krank. Der andere Assistent drauþen auf den Feldern. Europ"er haben wir sonst hier nicht. Handelt es sich um einen ªblanda´?" - "Ja." - ãIch w"re bereit", stockend kam es von seinenLippen, ,aber - ich bin ein ªIndischer´" (so nannte man die ãHalfcasts' auf Java). - Egal, kommen Sie nur. Aber kommen Sie schnell. Es ist kein Augenblick zu verlieren!" Mit einer breiten Handbewegung fegte Jan den Rest der L–hnung vdm Tisch, sprang ins Auto. Folgte dem Ruf der Schwester. Gesund war er. Das wuþte er. In rasender Fahrt ging es zum Krankenhaus. Ist es Piet?" fragte er leise. Ja." Jan biþ sich auf die Lippen. Schwieg. Der Doktor rang die H"nde. Wo bleiben Sie bloþ, Schwester? Die anderen, die der Mandur rangeholt hat, kommen nicht in Frage. Zu alt und andere Blutgruppen. Und Sie?" fuhr er Jan an. ãEin ªIndischer´. Hm. Doch gesund, was? Na, zeigen Sie mal her." Im Bett lag - totenblaþ und seit Stunden schon ohne Bewuþtsein - der lange Piet. Jan warf einen scheuen Blick auf den Sterbenden. ãIch bin sein..." Feind, hatte er sagen wollen. Ach so, sein Freund', schnitt ihm der Doktor, bereits eifrig um die Blut¸bertragung bem¸ht, kurz das Wort ab. ãWir m¸ssen's versuchen. Aber jetzt halten Sie still. Schwester, den Wickel! S-o... Fertig!" Jan f¸hlte, wie sein Blut klopfte, str–mte, sich dem des anderen verm"hlte. Er hielt die Augen geschlossen. Die Schwe- ster faþte den Puls. Z"hlte. Abbinden", kommandierte der Doktor. Melden Sie sich sofort bei meinem Assistenten. Warten Sie im Vorzimmer. Sie kriegen Bericht. Raus!" Jan wartete. Minuten wurden ihm zu Ewig- keiten. Kaum sp¸rte er die durch die Blut- entnahme eingetretene leichte Schw"chung. Zu groþ war seine seelische Erregung. Wie w¸rde Piet - sollte er, was Gott geben m–ge, durchkommen - sein Opfer auf- nehmen? Noch klang er ihm in die Ohren, der gr"þliche Fluch seines Jugendgespielen und Todfeindes: ãIch hasse dich und dein Blut!' ... ãSie m–chten bitte reinkommen', riþ ihn die Stimme der Schwester aus seinem Gr¸- beln. Am Kopfende des Bettes stand der Arzt. Wie imTraum trat derBuckligen"her. ãIhr Freund wird gleich zu Bewuþtsein kommen. Wenn keine Komplikationen ein- treten, ist er gerettet. Er wird Sie vielleicht erkennen. Aber - fassen Sie sich kurz!" In diesem Augenblick schlug der Kranke die Augen auf. - ãJan, du?" fl¸sterten seine Lippen. Ja, Piet, es war - mein Blut!" Die wachsgelben Finger des Genesenden tasteten nach der Hand des Braunen, die dieser willig ihm entgegengestreckt. ãSonderbare F¸gung", murmelte der Arzt. .Sein bester Freund muþte ihn retten!" Conrad M¸ller 7
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