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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 5 (March 10, 1951)
Freischmidt, Karl
Schwarzbefrackt: so lebt der Vogel Pinguin-Liebesspiele, Kindergarten, Schlitten-Fahrten, Räuberbanden-die Sonne bringt es an den Tag: Männchen oder Weibchen-200 Ohrfeigen in einer Minute, pp. 12-13
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SCHWARZ: So lebt der Vogel Pinguin - Liebea fahrten, Rauberbanden - Die Son chen oder Weibchen - 20C In der Antarktis ist jetzt Sommer. Die lange Polarnacht, das kalte halbe Jahr, ist durch den sechs Monate dauernden Tag abgel–st. Im Oktober begann dort unten die warme Jahreszeit, und da kamen eines Tages von Norden her lange Prozessionen von Schwarz- befrackten. Seltsame V–gel sind es, die auf kurzen Beinchen dahergewatschelt kommen, gruppenweise, unaufh–rlich schwatzend. Lange waren sie unterwegs, Hunderte von Kilometern muþten sie ¸ber die schweigen- den unendlichen Schneefl"chen marschieren. Nichts zu fressen gab es auf diesem Marsch, nur von der dicken Fettschicht konnte man zehren, die man sich vorher im freien Meer zugelegt hatte. Recht beschwerlich war oft der Weg f¸r ihre kurzen Beinchen, denn nur zehn Zentimeter lange Schrittchen kann man damit machen. Doch wenn die Pinguine vom langen Laufen m¸de geworden waren, fuhren sie Schlitten. Sie lassen sich vorn¸ber auf ihre weiþe Brust fallen und schieben sich mit ihren F¸þen vorw"rts. Sie wissen nicht, ob sie M"nnchen oder Weibchen sind Gleich nach ihrer Ankunft machen sich die Tiere eine Mulde zurecht und schichten einen kleinen Steinwall rundherum. Sie setzen sich in die Grube und warten und verteidigen, wenn es sein muþ, ihren Platz. Worauf warten sie? -Daþ die Sonne ihnen sagt, ob sie ein M"nnchen oder ein Weibchen sind? Tats"chlich, bis jetzt wissen sie es nicht. Erst m¸ssen ihre Keimdr¸sen durch das Sonnen- licht angeregt werden. Dann sondern diese Hormone ab, und das ist merkw¸rdiggenug - Hormone beider Geschlechter. Wieder muþ nun der Pinguin eine Weile warten, bis die Hormonabsonderung st"rker die eine oder andere Seite bevorzugt. Dann erst wissen sie, was sie sind. Nun gehen die M"nnchen auf Freiersf¸þen. vVie es die Pinguinsitte erfordert, tr"gt er einen Stein im Schnabel und legt ihn unter vielen Verbeugungen vor das Weibchen hin. Ein besseres Brautgeschenk konnte er sich gar nicht aussuchen, denn Steine sind hier Mangelware. Und so hebt das Weibchen den Stein auf und erwidert die Verbeugungen des Freiers. Das heiþt dann in der Pinguin- sprache: äIch gebe dir mein Jawort!' Bleibt der Stein aber liegen, so weiþ der Freier, daþ er einen Korb bekommen hat und jede weitere Werbung hier zwecklos ist. Bei den vielen M"nnern kann es nicht aus- bleiben, daþ hin und wieder zwei Freier einer Sch–nen den Hof machen wollen. B–se schauen sie sich an, lassen ihre Steine fallen und st¸rzen aufeinander. Wie wild bearbei- ten sie sich mit ihren Flossenfl¸geln, viele Ohrfeigen gibt es, bis 200 in einer Minute. Keuchend stehen sie Brust an Brust und h"mmern aufeinander los - manchmal stun- denlang - zwischendurch kurze Ruhepau- sen -- weiter mit unvermindertem Zorn-, bis den einen die Kr"fte verlassen. Damit ist der Sieger zufrieden -Tote gibt es nicht bei diesen K"mpfen --, er nimmt seinen Stein wieder auf und will zu seiner An- gebeteten. Doch sie hat wenig Sinn f¸r m"nn- liche Heldentaten und hat sich bereits mit einem anderen eingelassen. Armer Pinguin- mann, so belohnt man deinen Mut! Meist sagen aber die Weibchen ja, sie sind nicht sehr w"hlerisch. Sofort hilft der Br"u- tigam beim Nestbau, denn es muþ bald f¸r die Eier fertig sein. Unerm¸dlich schleppen sie Steine herbei, und es ist gar nicht sehr verwunderlich, daþ die Steine bei der Un- zahl fleiþiger Nesthauer in der Kolonie recht knapp werden. Dann m¸ssen sie weit her- geholt werden, und das macht m¸de. Pr¸gei f¸r den Dieb Immer gibt es bequeme V–gel, die die wei- ten Wege scheuen und versuchen, auf eine m¸helosere Art an die kostbaren Steine zu kommen. Geduckt schleicht so einer daher, die Fl¸gel eng an den K–rper gepreþt - dar- an erkennt man das schlechte Pinguingewis- sen- und will eben seinem schlafenden Genossen einen Stein wegnehmen. - Der wacht aber auf, st¸rzt sich auf den Dieb und pr¸gelt ihn durch. Der Steindieb wehrt sich nicht im geringsten- gewaltt"tig wird so ein Dieb nie -, geduckt schleicht er von dannen, so als sch"me er sich ... Die Sonne scheint immer w"rmer und hat mit ihrer Kraft die Keimdr¸sen der V–gel aufs h–chste gesteigert. Jetzt ist die Brunft- zeit da, und Die Liebesspiele beginnen Hlier steht so ein schwarzweiþes P"rchen auf seinem Nest, und die beiden machen sich stundenlang gegenseitig Verbeugungen vor. Nicht nur in der Antarktis laufen die Pinguine schwarzbefrackt herum. Der Edinburger Zoo –ffnet jeden Morgen um 1 1 Uhr seine Tore und g–nnt den komischen V–geln einen Bummel durch die Stadt. sP ._1 Ein Gespr"ch Fast hundert Jahre ist die Gewerbeordnung alt, und noch immer ist sie Grundlage f¸r alle Lehrverhalt- nisse auf dem gewerblichen Sektor. Seit einigen Jah- ren fordern die Gewerkschaften ein Berufsausbildungs- gesetz, um endlich mit den l"ngst ¸berholten Begrif- fen des Lehrverh"ltnisses Schluþ zu machen. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung macht es erforderlich, daþ auf diesem Gebiet etwas Neues, Zeit- entsprechendes geschaffen wird, nicht nur im Inter- esse der jungen Menschen, sondern ebenso im Inter- esse der Wirtschaft. aus der Praxis wissen wir, wie h"ufig Schindluder mit den Lehrlingen getrieben wird. Daher ist es nicht verwunderlich. daþ die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer, auch der Lehrlinge, die Mitbe- stimmung im Rahmen der Berufsausbildung fordern. Nur ein Beispiel. deren sich t"glich Tausende ab- ,pielen, soll hier aufgezeigt werden. Es handelt sich am ein Gespr"ch zwischen einem Lehrling und einem Meister, welches sich w ortlich so auf Grund von Uber- stunden, die der 16j"hrige Lehrling machen muþte, abspielte: Lehrling: Ich habe ani Montag Uberstunden gemacht und wollte mal anfragen, ob icb die Zeit abbum- mein kann? Meister: Ich war froh, als ich Lehrling war und Ðber- stunden machen durfte, weil ich lernen wollte, und bin nicht auf die Idee gekommen, die Zeit abzubummeln. Wir h"tten welche an die Ohren gekriegt. Wer hat dich auf solche Idee gebracht? Lehrling: Man sagte es mir auf der Gewerkschaft. Meister: So, so, du bist in der Gewerkschaft! Ich habe immer gedacht. daþ du ein anst"ndiger Mensch bist, aber nun habe ich gesehen, daþ du ein groþer Idiot bist, sdhreiend: Ihr wollt schon die Herren sein. seid aber dumm wie Schifferscheiþe. Man lehrt euch Zeich- nen und Rechnen, und das ist der Dank daf¸r. \W enn ich dir nun die ganze Zeit, wo du krank gewesen bist und im Sand gelegen hast, am Ende deiner Lehrzeit aufzahle und sage, du bist so- undso lange krank gewesen, du machst daf¸r ein halbes Jahr l"nger, was sagst du dazu? Lehrling: Ich war ja nicht mit Absicht krank und kann nichts daf¸r, wenn ich Schweinsbeulen be- komme. Meister (schreiend): Hm, da hast du recht. Aber die auf der Gewerkschaft, dieses Schweinevolk, st"rkt euch in eurer Dummheit. Nur die Faulen gehen zur Gewerkschaft, aber ein fleiþiger Mensch, der weiterkommen will im Leben, nicht. - Affenvolk! Man glaubt sich in das vorige Jahrhundert zur¸ckver- setzt, aber dieses Gespr"ch hat im November 1950 stattgefunden. Es ist unfaþbar und ungeheuerlich, daþ solche Menschen noch Lehrlinge ausbilden und er- ziehen' d¸rfen. Welches Argument will man von sei- ten der Arbeitgeber bzw. Handwerksmeister hier- gegen ¸berhaupt noch zur Anwendung bringen? Hier zeigt sich, wie berechtigt die Forderungen der Gewerkschaften sind und daþ auf diesem Gebiet schnellstens Abhilfe geschafft werden muþ. Es ist die Auffassung der jugendlichen Mitglieder der Ge- werkschaft, daþ man zur Erreichung dieses Zieles die gesamte gewerkschaftliche Kraft einsetzen sollte.
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