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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 5 (March 10, 1951)
L. D.
So geht es nicht!, p. 2
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600 000 - U ND DER GRO SS E REST Jugend auf der Straþe - Wohin mit den Schulentlassenen? Wie im vergangenen Jahr, lautet auch in diesen Wochen die bange Frage: ãWohin mit den Schulentlassenen?' Uber 600 000 Ju- gendliche werden in diesem Jahre die Schule verlassen, w"hrend es im vorigen Jahr etwas ¸ber eine halbe Million waren. In den n"chsten drei Jahren bis 1954 wird die Zahl der j"hrlichen Schulentlassungen bis zu 800 000 ansteigen. Die Berufs- und Arbeitslosigkeit der Jugend wird nach Ostern be"ngstigende Ausmaþe annehmen, da noch erhebliche Teile der Schulentlassenen 1950 bisher keine Lehr- oder Arbeitsstelle haben. Besonders in den L"ndern Niedersachsen, Bayern, Rheinland- Pfalz und Schleswig-Holstein sind diese Reste sehr umfangreich. So zum Beispiel z"hlt man in Bayern noch ¸ber 60 000 nicht untergebrachte Lehrstellenanw"rter, in Rhein- land-Pfalz rund 22 000 arheitslos.e M"del und Jungen, und in Niedersachsen etwa 21 000 nicht in Arbeit vermittelte Schulentlassene 1950. Leider war es nicht m–glich, von ¸ber- all konkrete und genaue Zahlen ¸ber die Reste 1950 zu erhalten, da verschiedene Landesarbeits"mter mit ihren Zahlen sehr zur¸ckhaltend waren, w"hrend ein anderer Teil"uþrstbereitwillig--Auskunft eiteilte. Nach den bisherigen Erfahrungen werden h–chstens zwei Drittel der ¸ber 600 000 Schulentlassenen 1951 eine Lehr- oder Arbeitsstelle finden. Diese zwei Drittel sind die g¸nstigsten Berechnungen, so daþ mit aller Gewiþheit ¸ber 200 000 Schulentlassene dieses Jahres arbeits- und beruflos sein wer- den. Der Prozentsatz von einem Drittel arbeits- und berufslosen Jugendlichen wird in den oben genannten L"ndern erheblich h–her liegen; er wird zum Teil 50 bis 60 Prozent betragen. In Nordrhein-Westfalen werden die Schwie- rigkeiten nicht ganz so groþ sein, doch es stimmt bedenklich, wenn das Lehrstellen- angebot noch nicht die H–he des Vorjahres erreicht hat. Leider ist nichts getan worden, planinaþig und auf weite Sicht die Vorbereitungen zu treffen, um die M"del und Jungen in m–g- lichst groþer Zahl in einen Beruf zu bringen. 'Viele Sdhulentlassene werden vergebens zum Arbeitsamt laufen, um eine Lehr- oder Arbeits- stelle zu bekommen. Was wird aus ihnen werden? Im vergangenen Jahre wurde man sich erst kurz vor Ostern bewuþt, wie sehr es an Lehrstellen mangelte. Verschiedene L"nder halfen sich mit der Einf¸hrung eines neunten Schuljahres. Aber die Jugendlichen k–nnen nicht ewig auf der Schule bleiben. Daneben liefen einige kleinere Maþnahmen, die aber auch nur geringe Hilfe bedeuteten. Was f¸r eine Lehre haben die Gemeinden, die Kreise, die L"nder und der Bund ge- zogen, um in diesem Jahre groþz¸gige \Xktionen zur Aufnahme der Schulentlassenen vorzubereiten und zu starten? Die Antwort ist klar und eindeutig. Nichts wurde getan! Wohl treffen die Arbeits"mter die ¸blichen Vorbereitungen. Aber sie gen¸gen nicht. Das war so im vorigen Jahr, das ist in diesem Jahie so und wird in den n"chsten drei bis vier Jahren so sein, ohne daþ die Arbeits- "mter hier Schuld haben. lp diesen Jahren k–nnen wir nur mit auþer- gew–hnlichen und planenden Maþnahmen zurechtkommen, um dieser Not zu steuern. Wii haben das Problem schon des –fteren behandelt und in aller Eindringlichkeit auf die Notwendigkeiten aufmerksam gemacht. Zelur -Woch.en vor der Schuteatlassunq~m.- vorigen Jahre sprachen wir an dieser Stelle den Bundesarbeitsminister unter der Uber- schrift ,Handeln Sie, Herr Arbeitsminister!' zum gleichen Problem direkt an urftl sagten unter anderem: Was glaubst du, lieber Leser, was f¸r einen ,.Sturm sittlicher Emp–rung' du ausl–sen wurdest, tr"test du vor die B"ckerzunft und machtest ihren Mitgliedern den Vorwurf, daþ sie tausendfach das Nachtbackverbot ¸ber- treten und damit in den meisten F"llen Raubbau mit der jugendlichen Arbeitskraft treiben? Diese ~sittliche Emp–rung' ist aber vollkommen unberechtigt. Denn selbst Bun- desarbeitsnminister Anton Storch muþ nach den vorliegenden Berichten in einem Erlaþ feststellen, daþ die Ubertretungen ein der- art erschreckendes Ausmaþ angenommen haben, ãdas mit dem Ansehen des Staates und der Autorit"t der gesetzlichen Bestim- mungen unvereinbar ist'. Den jenigen, die ihre Zuwiderhandlung damit verteidigen wollen, daþ Bestrebungen im Gange seien, das Nacht- backverbot zu lockern, h"lt er entgegen: .,Derartige Antr"ge sind bisher weder bei mir noch im Bundestag gestellt wurden. Ich habe auch nicht die Absicht, f¸r eine gesetz- liche Lockerung des Nachtbackverbots einzu- treten, halte vielmehr dessen Aufrechterhal- tung f¸r unbedingt notwendig, da das Ver- bot der Nachtarbeit Voraussetzung der Er- haltung der Gesundheit und der Arbeitskraft der im B"ckereigewerbe Besch"ftigten und f¸r die Innehaltung der gesetzlichen Arbeits- zeit ist.' Mit seinem Erlaþ will der Minister darauf hinwirken, daþ die B"ckereibetriebe auf die Innehaltung des Nachtbackverbots in ver- st"rktem Maþe kontrolliert werden. Diese Forderung hat aber einen Haken: Die Ge- werbeaufsicht hat zuwenig Leute, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Hinzu kommt, daþ sie fr¸her die M–glichkeit hatte, "Die Frage der Jugendarbeitsiosigkelt Ist zu einem Problem geworden, das der vordrIngtIchslen L–sung bedarf und von h–chster Warte gel–st werden muþ, reI Schwere des Problems muþ in seiner ganzen Tragweite erkannt werden. Es Ist unbedingt er- forderlich, der auþerordentlichen Notlage der Ju- gend mit allen Mitteln zu begegnen. Gemeinden. L"nder und Bund mt¸ssen auis engste zusammen- arbeiten. um schnell und grunds"tzlich zu helfen. Mit b¸trokratischen Methoden und Diskussionen ftier Zust"ndigkeiten und Abgrenzungen Ist dem Froblem nicht beizukommen, Schnell, groþz¸gig und entschlossen muþ gehandelt werden, um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit milt den Im Hintergrund lauernden politischen und sozialen Spannungen zu l–sen. Handeln, Herr Arbelisminister. ehe die Lawine rollt.' Und acht Wochen sp"ter muþten wir fragen: ã,Was ist getan? Nach den vorliegenden Unter- lagen aus den Gemeinden und L"ndern sehr wenig. St¸ckwerk, oft gut gemeint. Doch Im gesamten. vor altem von der Bundesregierung aus wurde bis heute nichts getan. Noch sieht man in Planungen und Dberlegungen. Minister Storch hat zwar ent- scheidende und grundlegende Maþnahmen an- gek¸ndigt - doch die Jugend steht auf der Straþe.- Dabei ist es geblieben. Es wurde sehr viel gesprochen und versprochen, aber die Situation f¸r die Schulentlassenen ist in die- sem Jahre dieselbe wie im vorigen. Ja, sie hat sich bedeutend verschlechtert. Noch w"re es an der Zeit,-bei groþz¸giger,_rascher und planm"þiger Behandlung des Problems das Schlimmste abzuwenden. Aber ganz offen gesagt: Nach den bisherigen Erfahrungen haben wir sehr wenig Hoffnung. H. T. derartige Ubertretungen mit einer Geldstrafe bis zu 150 Mark zu ahnden. Heute dagegen muþ sie erst einmal einen Antrag an die Strafvollstreckungsbeh–rden stellen. Nach den bisherigen Erfahrungen fallen dann die Strafen derart l"cherlich gering aus, manch- mal 3 DM oder 5 DM, daþ geradezu ein An- reiz geboten wird, das Gesetz zu ubertreten. Auch die Unterst¸tzung der Gewerbeauf- sicht durch die Exekutivpolizei hat noch lange nicht den Umfang erreicht, den sie vor 1945 hatte. So sehr ein solcher Erlaþ zu begr¸þen ist, so bleibt zu w¸nschen, daþ man sich auch einmal im Bundesarbeitsministerium mit die- sen Miþst"nden befaþt. Es geht hierbei nicht nur um die dringend notwendige Erhaltung der Arbeitskraft der im B"ckereigewerbe Besch"ftigten allgemein, sondern speziell auch um die Gesundheit und Arbeitskraft der jungen Menschen in diesen Betrieben. L.D. J W(IZITCHRIft DES OEMgieNfg SEEI@IFTSIUNDES Vdeg: Busnd-V´ro GmbH.. K&oIs -~rtt StrB 70 Telefon 71 Oi 0 1341 7, f.hnmsdbr0þ &~iPxaysez*eat ele I Tag.. Bestllng %gspeia nrdtdie Pot#eetljhl0 Pf. uIg Sa 94u wu WW 1
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