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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 1 (January 13, 1951)
Katharina
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Foto: U. Hoffmann Das h"tte Liselotte Haack sich vor vier Jahren noch nicht tr"umen lassen, daþ sie einmal als Frauenreferentin der IG Druck und Papier durch die Betriebe Westdeutschlands gehen w¸rde, um die Frauen ¸ber die Ziele der Ge- werkschaften aufzukl"ren und ihre W¸nsche und Forderungen entgegenzunehmen! Damals war sie gerade 19 Jahre alt und Hilfsarbei- terin in einem graphischen Groþbetrieb in Bielefeld. Bereitwillig erz"hlt sie uns von dieser Zeit: Eigentlich wollte ich Lehrerin werden, und ich war auch schon in der Aus- bildung, als das Jahr 1945 kam und ich meine k¸hnen Zukunftspl"ne begraben muþte. Wir wurden ausgebombt. Infolge schwieriger Um- st"nde konnte ich nicht weiterstudieren und meldete mich als ªarbeitslos´ beim Arbeits- amt. Zuerst sollte ich irgendwo im Bau- gewerbe vermittelt werden, aber dann nahm ich kurzentschlossen die Stelle als Hilfsarbei- terin an. Zu dieser Zeit wuþte ich noch nichts von der Gewerkschaft. Erst im Betrieb h–rte ich davon und wurde auch aufgefordert, Mit- glied zu werden. Lediglich um zu wissen, f¸r was man mich werben wollte, ging ich in eine Versammlung, und ich muþ sagen, von da an begann ich mich f¸r alles zu interessieren, was die Gewerkschaften anging. Ich sah in unserem Betrieb viele Dinge, die f¸r die Frauen unhaltbar waren und die abgestellt werden konnten. Weil ich keine Angst habe, zu sagen, was ich denke, hatte ich bald das Vertrauen der Kolleginnen gewonnen, und im Jahre 1947 w"hlte man mich als Mitglied in den Bielefelder Ortsvorstand der IG. Druck und Papier.' ,Und dann wurden Sie Frauensekret"rin?' .O nein, daran dachte ich nicht. Der Leiter des Betriebes holte mich etwas sp"ter in das Sozialb¸ro, und ich arbeitete dort als Sozial- betreuerin. Im Jahre 1948,-49 besuchte ich auf Vorschlag der Gewerkschaften die Sozial- akademie in Dortmund. Danach war ich einige Monate in S¸dengland und machte auf einer internationalen Schule ein Sommer-Kurz- semester mit. Erst im Laufe des Jahres 1950, als man im Gauvorstand Nordrhein-West- falen eingesehen hatte, daþ es unbedingt not- wendig sei, f¸r die weiblichen Mitglieder eine Frau als Betreuerin zu haben, ¸bernahm ich hauptamtlich das Frauenreferat der IG Druck und Papier, Gau Nordrhein-Westfalen.' .Sind Sie nun mit dem Erfolg Ihrer Arbeit zufrieden, Kollegin Haack?' .Zufrieden bin ich noch lange nicht, obschon die Frauen inzwischen bedeutend aktiver ge- worden sind. Damit sie ¸berhaupt einmal wuþten, wer das ist, der sie da als Gewerk- schaft anspricht, habe ich die Betriebsbesuche f¸r eine meiner wichtigsten Arbeiten gehal- ten. Bei Schichtwechsel habe ich die Frauen zusammengerufen und ihnen nicht versamm- lungsm"þig, sondern mehr pers–nlich einige wichtige Dinge gesagt. Und das war nicht vergebens, die darauffolgenden Versamm- lungen zeigten ¸berall einen starken Frauen- besuch. Uberhaupt bin ich der Auffassung, daþ man Frauenarbeit nicht schematisch be- treiben kann, sondern von Fall zu Fall den richtigen Weg finden muþ. In allen gr–þeren Orten haben wir jetzt Frauen in den Bezirks- vorst"nden, die ich von Zeit zu Zeit zu Ar- beitstagungen zusammenrufe, um mit ihnen die Fragen zu besprechen, die uns als Frauen besonders angehen. Vor allem m–chte ich, daþ die Frauen viel mehr in das Arbeits- platzbewertungs- und Refa-System ein- geweiht werden.- Weil Liselotte Haack noch jung ist, interessiert sie sich ebenfalls stark f¸r die Jugendarbeit und ist bem¸ht, die jungen Kolleginnen her- anzuziehen. Sie ist auch Mitglied der Tarif- kommission f¸r das graphische Gewerbe und f¸r die Papier- und Pappe-Verarbeitung und sorgt nach besten Kr"ften daf¸r, eine Revi- sion der Tarifvertr"ge zugunsten der Frauen zu erreichen. Ihr Arbeitstag ist immer restlos ausgef¸llt: Betriebsbesuche, Versammlungen, Besprechungen, Verhandlungen, Korrespon- denz, Rundschreiben, B¸roarbeit. Aber neben- her ist sie auch noch ein lebensfrohes und liebenswertes junges Menschenkind und ver- r"t uns ganz heimlich, daþ sie eine groþe Musikfreundin ist und auþerdem f¸r ihr Leben gern in ihrer kleinen K¸che kocht und brutzelt. K. Bo. Statistik ist die Kunst, das Leben in seiner Vielfalt in trockene Zahlenkolonnen einzu- fangen. Mit ihrer Hilfe macht man sich ein Bild von dem dauernden Auf und Ab auf allen m–glichen Gebieten, stellt Vergleiche an und beweist, daþ... Ja, was kann man nicht alles beweisen mit trockenen Zahlen! Daþ der Mehlwurm soundsoviel mal mehr friþt, als er wiegt, daþ die Schnecke 0,0054 km je Stunde zur¸cklegt, daþ die Preise nicht wesentlich gestiegen und der Lebensstandard sich nicht erh–ht hat und vieles mehr. Wir wissen, wie Statistiken oft zustande kommen und welch falsches Bild sie manchmal dar- stellen. Dennoch haben wir immer ein wenig Ehrfurcht vor "einwandfreiem statistischem Material', und zur Ehre der Statistiker sei auch gesagt, daþ nicht alle statistischen Er- hebungen falsche Bilder ergeben, besonders nicht, wenn die Zahlen von verantwortungs- vollen M"nnern zusammengestellt wurden. Manchmal geschieht es auch, daþ die Zah- len sehr ¸berraschende Ergebnisse zeigen, solche, die man sonst kaum glauben w¸rde. So ging es mir zuletzt, als ich den Gesch"fts- bericht der Ortskrankenkasse einer west- deutschen Groþstadt durchbl"tterte. Da sagt man doch immer, daþ Frauen viel, viel h"u- figer krank seien als M"nner, und jeder Be- triebsleiter singt dieses Klagelied. In dem Gesch"ftsbericht war jedoch zu lesen, daþ bei einer Mitgliederzahl von 69 137 M"n- nern im Jahre 1949 37 577 mit Arbeitsun- f"higkeit verbundene Krankheitsf"lle, f¸r die Krankengeld gezahlt wurde, zu verzeich- nen waren. Das bedeutet, daþ etwa 55 v. H. der M"nner sich einmal im Jahre krank meldeten. Wie war es bei den Frauen? Bei einer Mitgliederzahl von 34 153 gab es 14603 Krankheitsf"lle, die Arbeitsunf"hig- keit zur Folge hatten und f¸r die Kranken- geld gezahlt wurde. Also meldeten sich von 100 Frauen nur etwa 43 einmal im Jahre krank. Auch die Zahl der Krankheitstage war bei den Frauen um ein weniges gerin- ger als bei den M"nnern. Sie betrug im Durchschnitt 16,5 Tage, w"hrend die M"nner durchschnittlich 17,3 Tage krank waren. Man muþ dabei zugeben, daþ in den Krank- heitszahlen f¸r M"nner viele F"lle enthalten sind, die die Folgen eines Kriegsleidens darstellen und die groþe Zahl der Verun- gl¸ckungen und Verletzungen, die bei den M"nnern fast achtmal gr–þer ist als bei den Frauen. Trotzdem, wenn man uns in Zu- kunft noch einmal etwas erz"hlt von der Krankheitsh"ufigkeit der Frauen, so wissen wir Bescheid. Katharina. Frauen im –ffentlichen Leben In der Schweiz, dem Musterland f¸r demo- kratische Gepflogenheiten, haben bekannt- lich die Frauen bis heute noch nicht das Wahlrecht erhalten. Trotzdem sch"tzt man ihre Mitarbeit im –ffentlichen Leben sehr hoch ein und m–chte nicht darauf verzichten. Dies bewies die Debatte im Groþen Rat des Kantons Bern ¸ber ein neues Gesetz zur Reform der Gerichtsorganisation, in dem die Mitwirkung der Frauen beim Gewerbegericht vorgesehen war. Die vorbereitende Kommis- sion hatte Streichung des Artikels beantragt, aber mit groþer Mehrheit setzte ihn die Rats- versammlung wieder ein. Die Berner Groþr"te waren der Meinung, daþ die Frauen gen¸gend Intelligenz und gesunden Menschenverstand besitzen, um richterliche Funktionen aus¸ben zu k–nnen. Im Kanton Waadt waren bei den letzten Geschworenen-Wahlen zum erstenmal auch Frauen w"hlbar, und es wurden ¸ber 30 gew"hlt. --- . ri N, 1911111m, - . -, - _ gL- -t , -A, - 7e- I, j´. -alle l> - -- ee ii" t4"i-crs-ve s 3
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