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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 3 (February 10, 1951)
Turgenjew, J. S.
Kohlsuppe, p. 7
Page 7
KOHLS UPPE Einer alten Witwe raffte der Tod den ein- zigen zweiundzwanzigjahrigen Sohn dahin - er war der erste Arbeiter im Dorf. Die gn"dige Frau, die Besitzerin dieses Dorfes, h–rte, welches Leid die Witwe betroffen und suchte sie am Beerdigungstag auf. Sie fand sie zu Hause. Mitten in der Stube vor dem Tische stehend, sch–pfte sie mit der rechten Hand (die linke hing kraftlos herab) mit langsamen gleich- m"þigen Bewegungen d¸nne Kohlsuppe aus einem verr"ucherten Topf und f¸hrte den L–ffel ununterbrochen zum Munde. Das Gesicht der Alten war tr¸be und ab- gemagert, die Augen rot und geschwollen; aber sie hatte eine feste, gerade Haltung, wie in der Kirche. .Mein Gott!' dachte die gn"dige Frau. äIn einem solchen Augenblick kann sie noch essen . . . welch rohe Empfindungen haben doch all. diese Leute!' Und die gn"dige Frau erinnerte sich, wie sie vor einigen Jahren, da sie ihr neunmonati- Der Bettler auf der Br¸cke Zwlsden de H&aenx rnnt dawrin Und ,hintn ganz hinten, Im Nebel- Idunut fahl Zwei Schw8ne vormlerziehn. Und In den Wassern, -den grundlosen, japiegeln .Die R"ume slic und das Boot. Und nur von den Schindeln und Haus- Idaciziegeln Leuchtet der Abend noch rot. Die nordchtine~sisctiien Bauernh"user sind au Lehrn erbaui und ohne, jede Romrninik, Zweckbauten in einer harten Uimwselt, Frio Presse-See.qer evC~IiS5,~ {~L In Sung wohnte einmal ein Mann, ein Reis- bauer. Er setzte die Saat und berieselte sie wohl. Nach etlicien Tagen sah er, daþ die Saat keimte. Aber die Saat auf dem Felde seines Nachbars stand hoher im Halm als die seinige. Da sprach der Mann zu seinem Sohn: Komm mit aufs Feld, wir wollen dem Korn wachsen helfen! Beide gingen aufs Feld und zupften die Saat, Halm um Halm, ein wenig h–her. Am anderen Morgen schauten sie nach. Da waren die Halme geib und veiduuit. Also die Lehre, daþ man weder das Korn noch die Menschen wachsen lehren soll! Beide wachsen am besten aus sich, wenn das Feld wohlbereitet ist. Darum sorgt der Edle f¸r Ordnung im Lande und duldet keine Unordnung, weder in Gedanken, noch in Worten, noch in Werken. Kn,1-Tse~ STE RN VON KO R EA Der Bettler im Schatten der Br¸dcke Steht grau erstarrt wie Stein. Ein Sttum pf, £,In Stock, eine Kr¸cke. Hordil Wie die Kr"hen schrein! Helmut Kleffe! ges T–chterchen verloren, vor Gram es ab- gelehnt hatte, eine sehr sch–ne Villa in der N"he von Petersburg zu mieten und den ganzen Sommer ¸ber in der Stadt geblieben war! ... Und die Alte aþ noch immer von ihrer Kohlsuppe. Endlich vermochte die gn"dige Frau nicht mehr an sich zu halten. ,Tatjana!' sprach sie. äUm Gottes willen! Ich bin erstaunt! Du hast deinen Sohn also gar nicht geliebt? Du hast nicht einmal den Appetit verloren? . .. Wie kannst du nur diese Kohlsuppe essen!' .Mein Wassja ist tot', entgegnete leise die alte B"uerin, und von neuem rollten bittere Tr"nen ¸ber die eingefallenen Wangen. äNun ist auch mein Ende nahe! Bei lebendem Leibe hat man mir den Kopf genommen. Aber darum kann ich doch die Kohlsuppe nicht verkommen lassen; sie ist ja gesalzen.' Die gn"dige Frau zuckte nur die Achseln - und entfernte sich. Sie bekam ihr Salz billig. J. S. Turgenjew Es waren keine vun Krupp, diese Kanonen, die Lisa in der Spielwarenabteilung des Warenhauses verkaufte. Sie waren nur sehr klein und aus Blech, aber h¸bsch und ge- f"llig bemalt. Ein gr¸nes Rohr, rote R"der und hinten am Lafettenschwanz ein Bindfaden zum Abziehen. Wie hei den groþen Kanonen. Nur Granaten schob man nicht in das Rohr. Nur ein Z¸ndh¸tchen. Und es knallte ganz niedlich und gehorsam, wenn es knallen sollte. Als der Krieg zu Ende war, verbot der Chef den Verkauf dieser Blechkanonen. Sie wur- den im Keller abgestellt, obgleich Spielwaren damals sehr knapp waren. Dann kam die D-Mark, und mit einem Schlage wurde die Spielwarenabteilung wieder ein Paradies f¸r die Jugend. Mit Puppen, Eisenbahnen, Bau- k"sten, Autos und hundert anderen Dingen waren die Tische ¸berfullt. Und auch die ab- gestellten Kanonen kamen aus dem Keller. Vorerst nur ein Karton, ganz versteckt in der letzten Ecke der Abteilung. Aber eine Groþmama, die f¸r ihren Enkel etwas suchte, entdeckte ihn doch, .,0 wie niedlich!' rief sie und lieþ sich von Lisa den Mechanismus zeigen. Und dann legte Groþmama selbst ein Zundh¸tchen ein, zog ab, und es knallte sehr ansehnlich, fast wie Anno 70-71. Sehr lustig war das. Andere Besucher des Warenhauses blieben stehen, und da die kleinen, h¸bschen Kan–nchen nur f¸nfzig Pfennige kosteten, gingen sie weg wie warme Semmel. Mittags lieþ der Chef den gesamten noch vorhandenen Bestand aus dem Keller holen und einen Sondertisch auf- bauen. ,,"Das beliebte Spielzeug! Preis 1 Mark 50!' - und auch f¸r diesen Preis gingen sie genau so rasch weg. Man war der Kundschaft zuliebe gezwungen, neue Ware anzuschaffen. Und siehe da, es gab schon wieder Fabriken, die Kanonen herstellten. Keine Kruppschen, nein, nur Spielzeuge dieser Art aus Blech. Aber sehr modernisiert und mit kleinen Granaten, die in hohem Bogen durch die Luft sausten. Fast wie Anno 1918 vor Verdun. Preis 3 Mark 50. Absatz durchaus befriedigend. Und zum letzten Weih- nachtsfest kam dann noch ein Schlager hin- zu. Ein Panzer, der aufgedreht wurde und dann losbrauste und aus einem Rohr dabei Feuer spie. Nur sechs Mark. Und Lisa, die junge Verkauferin, hatte tagelang die h–ch- sten Ums"tze und erhielt so viel Pr"mien, daþ sie ihren Eltern die vergr–þerten Fotos ihrer beiden gefallenen Br¸der zum Feste schenken konnte. Gestern kam ein Kriegsblinder in die Spiel- warenabteilung. Er beabsichtigte, f¸r seinen Sohn etwas zum Geburtstag zu kaufen, und bat um Vorschl"ge. "Vielleicht unseren Panzer mit vier Rohren!' sagte Lisa. Der Blinde erschrak: äSie ver- kaufen schon wieder Panzer als Spielzeug?' ,Nat¸rlich! Unser bester Schlager! Stern von Korea! Greifen Sie zu, solange der Vorrat noch reicht!' Aber der Blinde griff nicht zui. Er hob viel- mehr abwehrend die Hand und wich zur¸ck. Voller Mitgef¸hl machten ihm die Kunden, die den Verkaufsstand umdr"ngten, Platz. Und ohne zu sp¸ren, daþ der Blinde an die- sem Tische der Kanonen und Panzer der einzige Sehende war. Georq B¸using. 7 el*tw , 4 - -- -e- _e - fi , 4------ - ,- . . , --- ; ' e
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