Page View
Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Erich Kästner, pp. 90-91
PDF (522.8 KB)
Harry Graf Kessler, pp. 91-92
PDF (574.6 KB)
Page 91
Diese Gegend 1st keln Garten, Und erst recht kein Garten Eden. Auf den Schlachtfeldern von Verdun Stehn die Toten auf und reden. Zwischen Ahren und gelben Blumen, Zwischen Unterholz und Farnen Wachsen Atme hits deih Budeft, Um die Lebenden zu warnen. Au! den 9chlachtteldern von* Verdun HinterlieB der Krieg ein Vermdchtnis. Taglich sagt der Chor der Toten: Hobt ein besseres Gedichthisl HARRY GitAF KESSLER Verfasser wertvoller Essdys und blich- dihigeh Jahreh Irri Exil geestorben. Aus denklicher Weltbetrachtungen<4u: s. pNd- don JfRtkNrtlFlNt N dieses weltkund;- tizen tiber Mexiko", ,,Gesichter und Zei- gen Mannes bringeh wit elnen Abschnitt ten" sowie einer eindrucksvollen Biogra- tiber den franz6sischen Bildhauer Maillol, phie tiber Walther Rathenau;, ist vor vor 1933 im S. Fischef-Almanach erschienen: Rodin steht in seinemn gewaltigen, lichtdurchstr6dhtfen Atellersaal In Meudon, der von dem riesigen, weifben Balgad beherrscht wild, uhd zieht aus einem der groBen Schranke, in denen er seine Skizzen aufbewahrt, eine kleine Ton- figur, die er zwischen gierigen Fingerspitzen liebkost: ,,Kennen Sie den, der das gemacht hat? Er ist unser starkster Bildhauer." So lernte ich Maillol kennen; etwa 1904 oder 1i05. bati dfaiUf begarin Mailiol seine groien Stein- und Bronzefiguren, die atif den Augstellithgeti deg Salon d'Automne seinen Ruf begrundeten und ihh zU elhdffi d Ihvliefi Voh Rodin in der Wert- schatzung der Pariser Kunstkenner machten. Rodin und Maillol, zwei Anti- poden, die mit Achtung voneinander sprachen, aber weit getrennte Wege gingen: Rodin, der Fortsetzer der franzosischen spaten Gotik und des ,,Dix- huitieme", der Meliterf des Details, der teallstisehen Beobachtung, der zart oder sturmisch bewegten Oberfldche, der dramatischen Silhouette; Maillol, hdr tmieehe, der Meister der Masse, der Punden FUlle korperlichen Bltihens, das ans Licht strebt, bei dem das Detail aber nur so viel Wert hat wie beim Obstbaum der welBe Bliitenschleier, der seine Struktur und den machtigen Dtang seineas Saftes elnen Augenbllck Verklart. Rodin, in genialer Hast Skizzen iiber Skizzeh hinausschleudernd wie ein Imptovisator, Maillol, lang- sam mit Oberleg~ing und Berechnung schaffend wie ein Acchitekt. Dort Hunlderte von Werkeh und Skizzen, genialeh AnwaUfen, unerhbrten Fragmen- ten, efh brbdelinder IXebsel Unaufhaltsam in FluB und Wandlung begriffener Frormen; hier verhaltnismiiBig wenige, jahrelang durchdachte Werke, die, je ianger der Kutnstler an ihnen arbeitet, im einzelnen immer einfacher, im ganzen immer komplizierter werden, Vor einer antilten Venus im Louvre, die an der afrikanischen Kuste jahrhundertelang vom Meer besptilt und von den Wellen wie von den Handen eines grol~en Ktinstlers geglattet und ver- einfacht worden Ist, aber um so gewaltiger heute ih unverwustlicher Schbnheit da.teht, sagte mir Maillol einmal: ,,Sehen Sie, diese Figur ist meine Lehr-
Copyright 1947 by Heinz Ullstein--Helmut Kindler Verlag.| For information on re-use see: http://digital.library.wisc.edu/1711.dl/Copyright